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Arabische Israelis im Konflikt:
Zwei Seelen in ihrer Brust

Von Thorsten Schmitz

Jerusalem, 3. Oktober – Machmud hat drei Probleme, unlösbare noch dazu. Er sieht nicht jüdisch aus, seine Haut glänzt capuccinobraun. Er geht nicht zur Klagemauer, wenn ihn die Seele drückt, sondern betet in der Al-Aksa-Moschee. Denn Machmud ist Muslim, kein Jude. Problem Nummer drei, das größte von allen: Er lebt in Israel.

Machmud ist ein arabischer Israeli, ein Palästinenser, der den blauen israelischen Pass besitzt. Seiner ist zerfleddert, denn oft wird Machmud von der Polizei angehalten. Er kann ein Lied davon singen, wie es ist, als arabischer Israeli in einem jüdischen Staat zu leben. Der junge Kellner im Café spricht ihn gleich auf englisch an, und weil ein Fettnäpfchen offenbar nicht genug ist, lobt er Machmuds Hebräisch.

Nach dem Studium in London zog es ihn zurück nach Israel – er hatte Heimweh. Der EU-Abschluss in Jura war in Großbritannien Gold wert, in seiner Heimat aber zählte er offenbar nichts: 256 Bewerbungen versandte Machmud, keine Kanzlei mochte ihn. So formulierte er einen netten Brief an Justizminister Jossi Beilin und beschwerte sich über den Rassismus innerhalb Israels gegenüber Arabern. „Es hat keine drei Tage gedauert, da rief jemand aus dem Justizministerium an und bat mich, mich vorzustellen. “ Seitdem arbeitet Machmud im Obersten Gerichtshof – er ist dort der erste arabische Israeli.

Machmud ist eine Ausnahme, auch was die Mittel betrifft. Die alltägliche Benachteiligung hat den meisten arabischen Israelis den zivilen Kampf vermiest – seit Tagen schmeißen viele von ihnen Steine auf israelische Soldaten, auf Landsmänner also. Bilder aus Absurdistan. Bilder auch eines verzweifelten Aufschreis einer angeblichen Minderheit, die längst die Million erreicht hat und ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmacht. Arabische Israelis sind Zwitterwesen mit gespaltener Persönlichkeit, Menschen, die sich seit 50 Jahren mit dem Paradox abfinden müssen, Bürger eines Landes zu sein, das immer wieder Krieg geführt hat mit seinen arabischen Nachbarn.

Es sind Israelis und Palästinenser zugleich, Nachkommen jener 160 000 Palästinenser, die nach der Staatsgründung Israels nicht ihr Land aufgeben wollten, sondern in Israel blieben. „Wir genießen Meinungsfreiheit und dass unsere Frauen sich freizügiger geben dürfen als in Gaza, aber wir haben uns nie elender gefühlt“, sagt der arabisch-israelische Dichter Sami al-Quasam. Die Palästinenser in Gaza und Westbank verachten die arabischen Israelis als Kollaborateure, die jüdischen Israelis nehmen sie nicht ernst, weil sie Muslime sind. Arabische Israelis bleiben am Holocaust-Gedenktag sitzen, wenn die Sirenen heulen und das Leben für zwei Minuten still steht – und sie stehen auf, wenn sie einmal im Jahr ihren Trauertag, den „Tag des Landes“, begehen und der Vertreibung durch staatsgründende Israelis gedenken. Sie dürfen wählen, aber gehen nicht in die Armee – aus Loyalitätsgründen. Sie sehen sich als Teil des palästinensischen Volks.

Israel unterstützt diesen Hang. Vor kurzem hat ein arabischer Israeli gerichtlich durchgesetzt, als Steward der israelischen Fluglinie El Al ausgebildet zu werden. Premierminister Ehud Barak allerdings traut sich noch nicht, einen arabischen Israeli zum Minister zu küren: „Das Land der Juden ist dafür noch nicht bereit“, sagt einer seiner Berater.

In den Klassen arabisch-israelischer Schulen sitzen 45 Kinder, in jüdischen 30. Dreißig Prozent aller arabischen Israelis leben unterhalb der Armutsgrenze; viele arabische Städte im Norden Israels – wie etwa Umm al-Fahm, das drei Tage lang Kriegsgebiet war – haben kaum funktionierende Kanalisation. Höchstens arabische Städte wie Nazareth kriegen ein schönes Zentrum verpasst, weil Touristen aus aller Welt die Verkündigungskirche aufsuchen.

Der arabische Israeli Achmed Tibi, der in der Knesset sitzt und sechs Jahre lang Palästinenserpräsident Jassir Arafat als Berater diente, sagt heute: „Israel braucht sich nicht zu wundern, dass arabische Israelis nun gegen jüdische Israelis kämpfen. Die Wut ist groß über die vielen Ungerechtigkeiten. “ Arabische Israelis hätten eine Adresse in Israel, aber kein Zuhause, sagt Tibi. Er wird von vielen Knesset-Mitgliedern gemieden, als „wäre ich ein Spion im Parlament“. Während er das sagt, reibt sich Tibi die linke Hand. Er hat sie sich am Donnerstag bei den Tempelberg-Unruhen gebrochen.

SEITE DREI / Mittwoch, 4. Oktober 2000
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