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Frieden und Krieg

Von IGNACIO RAMONET

Es war fast geschafft. Im Juni dieses Jahres schien der Frieden im Nahen Osten zwischen Palästinensern und Israelis zum Greifen nahe. In den wichtigsten Streitfragen - Rückgabe der besetzten Gebiete, Status Ostjerusalems, Flüchtlingsfrage - zeichnete sich ein historischer Kompromiss ab. Dass er beiden Seiten Zugeständnisse abverlangen würde - den Palästinensern mehr als den Israelis -, lag ebenso auf der Hand wie die Tatsache, dass die Extremisten beider Lager von "inakzeptablem" Ausverkauf, ja "Gotteslästerung" sprechen würden.

Sieben Jahre nach Oslo hätte das anvisierte Abkommen dem Friedensprozess trotz aller Unvollkommenheit neue Impulse verliehen und der Gewalt in der Region nach einem halben Jahrhundert kriegerischer Auseinandersetzungen ein Ende bereitet. Eine neue Friedensdynamik hätte das legitime Sicherheitsbedürfnis Israels garantiert, dem nicht weniger legitimen Recht der Palästinenser auf einen eigenen souveränen Staat Anerkennung verschafft und dem gesamten Nahen Osten die Möglichkeit eröffnet, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren: die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Region. Doch Ende September kehrte sich die Spirale der Hoffnung um in eine mörderische Spirale der Gewalt, die nun auf die gesamte Region überzugreifen droht.

Wie konnte es geschehen, dass sich plötzlich wieder Kriegsstimmung ausbreitet, nachdem der Frieden für die Region schon so nahe lag? Die Verhandlungen zwischen Jassir Arafat und Ehud Barak im Juli dieses Jahres in Camp David hatten deutlich gezeigt, dass die palästinensischen Unterhändler, gereizt durch die ständige Verletzung der bisherigen Abkommen durch die israelischen Behörden, nicht geneigt waren, weitere Zugeständnisse zu akzeptieren, standen sie doch unter dem Druck von Seiten der Zivilbevölkerung, deren Zorn sich angesichts der tagtäglichen Demütigungen durch die Besatzung immer weiter anstaute.

Nicht verhandelbar war insbesondere der Status Ostjerusalems, nach dem Willen der Palästinener die Hauptstadt ihres künftigen Staats. Sie glaubten das Völkerrecht auf ihrer Seite, da die UN-Resolution 242 Israel auffordert, sich in die Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967 zurückzuziehen und also auch das damals eroberte Ostjerusalem zurückzugeben, die Altstadt mit den heiligen Stätten der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Allerdings erklärten sich die Palästinenser einverstanden, das jüdische Viertel der Altstadt einschließlich der Klagemauer unter israelischer Souveränität zu belassen.

Barak jedoch fühlte sich dem Willen eines Teils der Bevölkerung verpflichtet, das geeinte Jerusalem als "ewige Hauptstadt" Israels zu wahren, und lehnte das palästinensische Ansinnen ab. Arafat wiederum konnte nicht zurückweichen, weil er sich in der Pflicht der Gläubigen aller muslimischen Staaten sah, die von ihm erwarteten, die heiligen Stätten des Islam unter arabische Obhut zu stellen. Die beiderseitige Blockade in dieser zwar politischen, aber stark religiös unterfütterten Frage sollte die Verhandlungen zum Scheitern bringen. Die Extremisten beider Lager frohlockten und feierten das Misslingen als Sieg, denn die Stunde der Konfrontation rückte näher. Barak unterbreitete einen letzten Verhandlungsvorschlag: Die palästinensische Hauptstadt solle unter dem Namen Al-Quds (die arabische Bezeichnung für Jerusalem) knapp zwei Kilometer vom Tempelberg entfernt errichtet werden - welcher zwar unter palästinensischer Verwaltung bliebe, aber nicht unter palästinensischer Souveränität. Die Spirale der Gewalt war durch diesen Vorschlag nicht mehr zu aufzuhalten.

WAS folgte, ist bekannt. Die Provokation General Ariel Scharons, der umgeben von tausend bewaffneten Polizisten den Tempelberg besuchte, die Proteste palästinensischer Zivilisten, die unverhältnismäßige Brutalität der Repressionskräfte, die palästinensischen Kinder und Jugendlichen, die im Gewehrfeuer starben, der widerwärtige Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah, die mörderischen Strafexpeditionen gegen israelische Araber in Nazareth und anderen Städten, mit einem Wort: die Unmenschlichkeit in Aktion. Die politische Auseinandersetzung regredierte zusehends auf einen ethnisch-religiösen Konflikt wie in Bosnien oder im Kosovo. Von Fanatikern beider Seiten wurden hier und da Rufe nach "ethnischer Säuberung" laut, nach einer "Bevölkerungsumsiedlung" wie in Zypern. Die palästinensische Zivilbevölkerung wurde in die Verzweiflung zurückgestoßen, und in der traumatisierten israelischen Gesellschaft, die in ihrer großen Mehrheit nach wie vor für einen Friedensvertrag ist, breitete sich die Angst wieder aus.

Ein Friedensvertrag ist und bleibt unerlässlich. Israel - das sich als militärische Übermacht auf die Hypermacht der Vereinigten Staaten stützen kann (die sich durch ihre Parteilichkeit als "Vermittler" selbst disqualifizieren) - Israel ist aufgerufen, Gerechtigkeit walten zu lassen. Denn die Partie ist ungleich, die Situation im Westjordanland und im Gaza-Streifen eine klassische Kolonialsituation.

Allein, die politische Klasse Israels scheint unfähig, die Herausforderungen des Postzionismus zu reflektieren; allem Anschein nach fehlt es ihr dafür an Fantasie, Kühnheit und Herz. Wird sie den Mut aufbringen, das Unerlässliche in Angriff zu nehmen? Die illegalen Siedlungsenklaven in Hebron und im Gaza-Streifen auflösen, die größtenteils von überbewaffneten rechtsradikalen Fanatikern gegründet wurden? Die Illusion verabschieden, die Palästinenser würden sich angesichts des für sie ungünstigen Kräfteverhältnisses weiterhin mit allem abfinden? Zur Kenntnis nehmen, dass die Palästinenser für ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen und dass die koloniale Besetzung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, ein Verbrechen an der Zivilbevölkerung, die Zukunft des jüdischen Staats selbst gefährdet. Die geografische Lage und die Zukunft lassen beiden Völkern keine andere Wahl, als sich zu verständigen.

Le Monde diplomatique Nr. 6293 vom 10.11.2000, Seite 1, 171 Zeilen, Dokumentation IGNACIO RAMONET


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