Die Kosten für den Frieden:
Der menschliche Preis für den Abzug aus Gaza
3. August 2005
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Neve Dekalim
(Avi Ohayon/GPO) |
Israel löst Worte durch Taten ein und ist bereit, für den Frieden
einen hohen Preis zu bezahlen.
Umschlagfotos (s.o.):
Links: Ein Treibhaus in Bnei Atzmon (Sasson Tiram)
Oben re.: Neve Dekalim (Avi Ohayon/GPO)
Unten re.: Spielplatz in Morag (Sasson Tiram) |
Einleitung
Frieden zu schaffen ist ein Grundsatz
des Judentums, ebenso ist es die erklärte Politik des Staates Israel.
Seit langer Zeit sucht Israel den Frieden mit seinen arabischen
Nachbarn, besonders mit den Palästinensern. Deshalb ist die Schaffung
von Frieden eine große Herausforderung, zumal das ein Prozess ist, der
nicht schon mit der Einstellung der Feindseligkeiten zwischen ehemaligen
Feinden endet, sondern erst mit dem Beginn einer neuen Beziehung in
Koexistenz. Folglich ist der Aufbau guter nachbarschaftlicher
Beziehungen mit einem palästinensischen Staat Israels Endziel.
Vor dem Hintergrund von mehr als vier
Jahren terroristischen Blutvergießens hat Israel mit der Verwirklichung
seines Rückzugsplans im Gazastreifen und im nördlichen Samaria begonnen.
Das geschah sowohl wegen eigener Sicherheitsinteressen, als auch, um den
Friedensprozess mit den Palästinensern wieder in Gang zu bringen. Damit
dieser Plan eine Chance auf Verwirklichung bekommt, erfordert er ein
beträchtliches Opfer von mehr als 1700 Siedlern und ihren Familien.
Ungefähr 8000 Menschen müssen also ihre Häuser und Lebenszentren
verlassen, die sie im Laufe mehrerer Jahrzehnte aufgebaut haben.
Koret Communications Ltd.
Gelb unterlegt: Unter voller
palästinensischer Kontrolle
Blau unterlegt: Unter voller israelischer Kontrolle
Blauer Kreis: Israelische Ansiedlung
Orangener Kreis: Palästinensische Ansiedlung
Grüne Line: Waffenstillstandslinie von vor 1967
Koret Communications Ltd.
Orange unterlegt: Palästinensische
Zivilisten unter israelischer Militärkontrolle
Kurzfristig bezahlen die Siedler den
größten Teil des Preises für den Frieden. Denn sie wurden von früheren
Regierungen ermutigt, Brachland zu besiedeln und es in Häuser, Gärten
und Farmen zu verwandeln. Das geschah im selben Pioniergeist, durch den
vor und nach 1948 der Staat Israel aufgebaut worden ist. Doch nun wird
von den Siedlern verlangt, ihre Errungenschaften für etwas Höheres
aufzugeben.
Viele von diesen Pionieren kamen z.B.
als junge Paare in den Gazastreifen - und jetzt stehen sie vor dem
Trauma, ihre Häuser mit ihren Kindern und Enkeln verlassen zu müssen,
deren einzige Heimat Gaza ist.
Die folgenden Beschreibungen von 25
Siedlungen, die Bestandteil des Rückzugsplans sind, illustrieren, was
manche von Israels Pionieren für den Frieden aufgeben müssen.
Ein Haus in Gadid,
Moshe Milner / GPO
DER GAZASTREIFEN
Gush Katif
Bedolah
Die religiöse Hapoel Hamizrahi-Bewegung
und die nationalreligiöse Jugendorganisation Bnei Akiva gründeten
Bedolah 1986 als
Moschav (kollektives Dorf). In der Siedlung leben 33 Familien,
insgesamt 220 Menschen. Die meisten Bewohner züchten Pfefferschoten,
Tomaten und anderes Gemüse in Gewächshäusern für den Lokalmarkt und den
Export. In den letzten Jahren zog eine Anzahl von Einwanderern aus
Frankreich in den Moschav. Das steuerte zur kulturellen Vielfalt bei.
Bnei Atzmon
Gemäß dem Abkommen von Camp David 1978
gegründet, ist Bnei Atzmon ein gemischt kollektiver und privater Moschav
von mehr als 70 Familien, insgesamt von über 500 Einwohnern. Die
Siedlung verfügt über ein gut entwickeltes Schulsystem für rund 550
Schüler, eine Krankenpflegeschule und eine Highschool. Bnei Atzmon
verfügt über mehr als 5000 Dunam (500 Hektar) Erntefelder, 12 Dunam (1,2
Hektar) Truthahngehege, eine Meierei, eine Baufirma und eine der
fortschrittlichsten Pflanzenaufzuchtsanstalten der Region.
Gadid
wurde 1982 von 22 Familien der Bnei
Akiva (nationalreligiöse Jugendorganisation) gegründet und besteht jetzt
aus mehr als 60 Familien. 15 Familien aus Frankreich befinden sich noch
im Einwanderungszentrum. Anders als in den übrigen landwirtschaftlichen
Siedlungen im Gazastreifen liegen zusätzliche Gewächshäuser neben den
Wohnhäusern. Als die Siedlung wuchs, wurden dahinter noch mehr
Gewächshäuser errichtet, in einigen baut die Familie Berbie Heilkräuter
an. Rund 60% des israelischen Heilkräuterexports stammen aus der Region
von Gush Katif.
Gan Or
wurde 1983 von Absolventen der Bnei
Akiva- und Hesder Jeschiva-Organisationen gegründet; letztere verbindet
das Studium an einer Jeschiva mit dem Militärdienst. Gan Or ist Mitglied
der religiösen Hapoel Hamizrahi-Bewegung. Die meisten der 50 Familien
verdienen ihren Lebensunterhalt mit Gemüsegewächshäusern, die anderen
gehören freien Berufen an. In Gan Or wurde kürzlich eine Synagoge und
eine daran angrenzende Gemeindehalle errichtet. Außerdem befindet sich
dort das Tohar Girls College, das religiöse Studien sowie Zusatzkurse in
der Open University und an der Bar-Ilan-Universität im benachbarten
Aschkelon anbietet.
Ein
Blumengewächshaus in Ganei Tal,
Avi Ohayon / GPO
Ganei Tal
Dieser religiöse Moschav (kollektives
Dorf) wurde 1979 von Bnei Akiva-Absolventen gegründet. Die meisten der
65 Familien betreiben Gewächshäuser, in denen sie Gemüse, Blumen,
Saatgut, Haus- und Gartenpflanzen und Gewürze anbauen. Weiterhin ist
Ganei Tal stolz auf sein großes Kulturangebot.
Schuppen
in einer Farm in Katif,
Moshe Milner / GPO
Katif
Nachdem sie im benachbarten Moschav
Bnei Darom Landwirtschaft gelernt hatten, gründeten zehn Veteranen der
Bnei Akiva-Organisation und der israelischen Armee die Siedlung Katif.
Heute wird dieser Moschav von mehr als 60 Familien bewohnt, insgesamt
ca. 330 Menschen, davon 220 Kinder. Die Einwohner haben mehrere
Erziehungseinrichtungen gegründet, darunter die Katif-Jeschiwa für die
Erforschung von Meeres- und Wüstenökologie und für religiöse Studien.
Katif unterhält eine Meierei und Werkstätten. In den Gewächshäusern wird
Gemüse für den Export angebaut.
Ein
Spielplatz in Katif, Sasson Tiram
Kerem Atzmona
wurde 2001 von fünf Familien in einer
verlassenen Plantage zwischen den Siedlungen Bnei Atzmon und Morag
gegründet. In Kerem Atzmona leben heute rund 15 Familien, insgesamt 60
Menschen. Die Bewohner arbeiten meist in Schulen und Universitäten sowie
in bürgerlichen Berufen.
Kfar Yam
Diese kleine Siedlung an der Küste
westlich von Neve Dekalim wurde 1983 von zwei Familien in einem
verlassenen ägyptischen Armeegebäude gegründet. 1985 kam eine dritte
Familie dazu und 1996 eine vierte. Der Ort wird als
"Individualistensiedlung" bezeichnet.
Ein
Haus in Morag,
Sassom Tiram
Morag
ist die südlichste der Gusch
Katif-Siedlungen. Sie wurde 1972 zunächst als Nahal-Außenposten
gegründet. 1983 wurde sie religiöser Moschav, unterhalten von der Hapoel
Hamizrahi-Organisation. Die meisten der 29 Familien züchten in
Gewächshäsern Tomaten, Blattgemüse, Gewürze und andere
Landwirtschaftsprodukte. Obwohl Morag mittlerweile unter dauernden
Terroristenangriffen zu leiden hat, zogen kürzlich sieben weitere
Familien zu. Sie haben nun das zentrale Gebäude vollendet, das als
Synagoge benutzt wird.
Pferde
in Pe'at
Sadeh,
Moshe Milner / GPO
Netzer Hazani
Bei seiner Gründung 1973 war Netzer
Hazani zunächst ein Nahal-Posten. 1997 wandelten ihn 12 religiöse
Familien zum zivilen Moschav um. Heute existieren die meisten der 70
Familien von der Gewächshaus-Landwirtschaft. Sie bauen Gemüse und sehr
viele Gewürzarten für den Export an und züchten Fische in Fischteichen.
Neve Dekalim
Diese religiöse Gemeinschaft von ca.
500 Familien (rund 2600 Einwohner) ist die größte im Gazastreifen. Sie
dient als Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum für die anderen
Siedlungen. In Neve Dekalim sind die Büros des Stadtrates,
Gesundheitsbehörden und religiöse Ämter ansässig, eine Industrie- und
Handelskammer, zahlreiche religiöse Erziehungseinrichtungen und
Jugendorganisationen, ferner Kulturzentren, ein Gemeindehaus und die
Regionalbibliothek.
Pe'at Sadeh
wurde 1989 als provisorische Siedlung
gegründet und zog 1993 auf einen Hügel am Meer um, wo es sich noch heute
befindet. Dort leben 20 Familien, rund 110 Einwohner, davon 70 Kinder.
Die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind Teils säkular, Teils
traditionell, Teils religiös ausgerichtet. Die Meisten leben von der
Landwirtschaft, die Anderen haben bürgerliche Berufe.
Ein
Haus in Rafiah Yam,
Moshe Milner / GPO
Rafiah Yam
Diese gemischt säkular-religiöse
Siedlung wurde 1984 provisorisch von jungen Ehepaaren aus allen Teilen
Israels gegründet. Rafiah Yam zog 1991 an seine heutige Stelle um. Die
meisten der 25 Familien (rund 100 Einwohner) leben von ihrer hoch
entwickelten Gewächshaus-Landwirtschaft. Ferner wird in Schneidereien
Kleidung für Israels führende Modehäuser hergestellt.
Denkmal
für ein Opfer des palästinensischen Terrorismus in Rafiah Yam,
Moshe Milner / GPO
Shirat Hayam
wurde 2000 wegen eines Attentats auf
einen Schulbus im benachbarten Kfar Darom gegründet. In dieser Siedlung
am Meer leben 16 Familien mit 26 Kindern. Die meisten Einwohner leben
von der Landwirtschaft, andere von bürgerlichen Berufen.
Slav
wurde 1980 zunächst als Nahal-Siedlung
gegründet. Nach dem Rückzug Israels aus dem Sinai 1982 wurde Slav zu
einem Staging-Camp für Siedlergruppen und zum Standort des Midreschet
Hadarom-College. Heute leben in einem Teil der Siedlung drei Familien,
der Rest dient als Basis der Grenzpolizei.
Tel Katifa
wurde wenige Monate vor der
Unterzeichnung des Oslo-Abkommens gegründet. In Tel Katifa leben 15
Familien. Die meisten leben von der Landwirtschaft, wollen aber ihren
Küstenstreifen und einen See zukünftig für den Tourismus erschließen.
Synagogen von Gush Katif
Katif |
Neve Dekalim,
Nathan Alpert / GPO
Bnei Atzmon
Amos Ben Gershom / GPO |
The North and Central Gaza Strip
Dugit
wurde 1990 gegründet und liegt am Meer.
Dugit hat rund 20 Familien (ca. 70 Einwohner), die von Fischzucht und
Tourismus leben. Nach ihrer Gründung bestand die Siedlung aus Wohnwagen,
später erhielten mehrere Familien die Erlaubnis zum Hausbau.
Elei Sinai
wurde 1983 zum Teil von Siedlern
gegründet, die nach dem Friedensvertrag mit Ägypten den Sinai verlassen
mussten. Elei Sinai ist eine säkulare Siedlung von ca. 85 Familien (rund
250 Einwohner). Die meisten Bewohner üben bürgerliche Berufe in
Aschkelon aus, das 15 km entfernt liegt.
Wohnviertel
in Nisanit
Amos Ben Gershom / GPO
Nisanit
ist die größte Siedlung im nördlichen
Gazastreifen. In Nisanit leben rund 300 Familien (ca. 1300 Einwohner).
Der Ort wurde 1980 zunächst als Nahal-Siedlung gegründet und 1993 zur
zivilen Siedlung mit säkularen Bewohnern umgewandelt. Die Einwohner
haben meist bürgerliche Berufe, die sie in benachbarten Siedlungen oder
in der Stadt Aschkelon ausüben.
Arbeit
in der Lebensmittelbranche in Kfar Darom
Sasson Tiram
Kfar Darom
Dieser historische religiöse Moschav
besteht seit über 70 Jahren, als ein Pionier Namens Tuvia Miller hier
rund 260 Dunams (26 ha) Land aufkaufte, um eine Fruchtplantage
anzulegen. Diese Anlage wurde während der Araberaufstände von 1936-39
zerstört, aber der Jüdische Nationalfonds kaufte 1946 Millers Land, und
eine Gruppe von Kibbuzniks besiedelte es. Im israelischen
Unabhängigkeitskrieg hielt der Kibbuz Kfar Darom fast drei Monate lang
gegen die ägyptische Invasionsarmee aus, bis im Sommer 1948 die IDF
seinen Verteidigern befahl, ihn aufzugeben.
Nach dem Sechstagekrieg wurde Kfar
Darom als kombinierte militärische und landwirtschaftliche Siedlung
durch das Nahal-Korps der IDF neu gegründet und 1989 zu einer zivilen
Siedlung mit religiösem Charakter umgewandelt. Heute leben dort ca. 65
Familien (rund 400 Einwohner). Das dort ansässige "Institut für Torah
und Landbau" forscht nach Lösungen für die Probleme von moderner
Landwirtschaft und religiösen Gesetzen, Erziehung und bürgerlichen
Berufen. Im Industriegebiet von Kfar Darom besteht ein regionales
Frachtzentrum, und zu seinen Erziehungseinrichtungen zählt ein Zentrum
für Kindesentwicklung.
Netzarim
wurde 1972 als Nahal-Siedlung von einer
Gruppe der säkularen Haschomer Hatzair-Organisation gegründet und 1984
in eine zivile und religiös geprägte Siedlung umgewandelt. Nach einigen
Jahren entschieden die sich Einwohner, den Kibbuz aufzulösen und aus
Netzarim eine kommunale Siedlung zu machen. Die 60 Familien (rund 400
Einwohner) sind wirtschaftlich gut entwickelt, sie betreiben
Gewächshäuser mit Tomaten für den Export, Mangos und Blattgemüse, eine
Hühneraufzucht und einen Steinbruch. Manche der Einwohner arbeiten in
benachbarten Siedlungen.
Wegen der angespannten Sicherheitssituation gehen die Kinder aus
Netzarim in Bnei Atzmon zur Schule. Trotzdem wurde in der Siedlung vor
drei Jahren eine Hesder-Jeschwa mit 20 Studenten-Soldaten gegründet.
NORD-SAMARIA (nördliche Westbank)
Die Auflösung der jüdischen
Ansiedlungen im Gazastreifen und Nord-Samaria bedeutet:
¦ 42 Kinder- und
Altentagesstätten, 36 Kindergärten, sieben Grundschulen und drei
Highschools werden geschlossen
¦ 5000 Schulkinder müssen in andere Schulen gehen
¦ 38 Synagogen werden aufgelöst
¦ 166 israelische Farmer verlieren ihren Lebensunterhalt - dazu mehr als
5000 ihrer palästinensischen Arbeiter
¦ 48 Gräber auf dem Friedhof von Gusch Katif, darunter die Gräber von
sechs Einwohnern, die durch Terroristen ermordet wurden, werden
exhumiert und nach Israel gebracht.
Übersetzung: Robert Cohn
hagalil.com /
19-08-2005
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