TEL AVIV - Nava Bosmi (63), Schoschana Damaris Tochter, ist zur
Beisetzung ihrer Mutter aus Kanada eingetroffen. Obwohl kein offener
Bruch das Verhältnis von Mutter und Tochter getrübt hat, war das von der
Tochter ersehnte herzliche Verhältnis mit der Mutter von der Karriere
der schon seit Navas früher Kindheit als Diva gefeierten Sängerin
überschattet. Den Preis, den diese Karriere forderte, musste Nava
zahlen.
Navas Vater Schlomo Bosmi, seinerzeit Direktor des Künstlerstudios "Schulanut",
heiratete die zehn Jahre jüngere Schoschana, als diese gerade 17 Jahre
alt war. Die Karriere Schoschanas war ihm derart wichtig, dass sie ihm
zu einem persönlichen Lebensprojekt wurde. Dies führte sehr bald, zu
einer kategorischen Aufteilung der Aufgaben in der Familie: Damari
reiste zu Auftritten in alle Welt, und Vater Bosmi kümmerte sich daheim
um die kleine Nava. So kam es, dass Nava ihren Vater verhimmelte,
während Mutter Schoschana vom israelischen und internationalen Publikum
umjubelt wurde.
Von der Mutter hat Nava eine klangvolle Stimme und die Liebe zu Musik
und Gesang geerbt. Aber auch mit Pinsel und Palette konnte sie, wie ihre
Mutter, sehr, gut umgehen und war in der Grafik sehr bewandert. Der
Vater, der sich als Entdecker von Talenten einen Namen gemacht hatte,
animierte seine Tochter zu öffentlichen Auftritten. Zu ihrem zehnten
Geburtstag ließ er sie das Kinderiied "Bi'mdinat Hagamadim" (Im Land der
Zwerge) auf Band singen, und erntete damit großen Erfolg: das Lied wurde
erst zum Hit und dann zum Evergreen der Kinderlieder, denn es ist auch
noch heute immer wieder im Radio zu hören. Doch vom Glanz der Mutter
überschattet, konnte Nava keine eigene Karriere entwickeln.
Als sie vor der Rekrutierung in den Armeedienst stand, machte Nava
Bosmi aber noch einmal einmal einen Anlauf zur eigenen Karriere - sie
meldete sich zu den Aufnahmeprüfungen der Militär-Gesangstruppen und
wurde - ohne sich auf den Namen Damari zu berufen - unter ihrem
Familiennamen Bosmi ohne Protektion und nur durch eigenen Verdienst in
die Gesangstruppe der Panzerstreitkräfte aufgenommen.
Nava Bosmi
Schoschana Damari ihrerseits liebte Nava durchaus sehr, aber auf ihre
Weise. Jonathan Karmon, der Direktor des auch international berühmten
Tanz- und Gesangensembles "Lahakat Karmon", mit dem Schoschana Damari
eine Zeit lang im Ausland auftrat, kann aus eigener Erfahrung über das
Leben von Mutter und Tochter berichten und empört sich über die
Gerüchte, es habe ein getrübtes "Verhältnis zwischen den Beiden
geherrscht.
"Ich höre die Leute sagen: 'Wie konnte Schoschana das Kind alleine
lassen?' Wenn Schoschana damals, als Nava noch klein war, ins Ausland
gefahren ist, dann höchstens für fünf Tage, in denen sie ständig mit
ihrem Mann in Kontakt war. Jedesmal, wenn ich sie am Telefon mit ihrer
Tochter sprechen sah, strahlte sie förmlich. Ich kann mich noch gut
erinnern, wie sie bei
unseren großen Tourneen mit den Tänzerinnen unseres Ensembles durch
Geschäfte schlenderte, um nach Kleidern und Geschenken für Nava zu
suchen", sagt Karmon.
Unsterbliche Schoschana
Aber es gab auch lange Jahre des Schweigens zwischen Mutter und
Tochter, die mit der Sehnsucht nach der sich auf Tournee oder bei
Auftritten befindlichen Mutter aufgewachsen ist. Freunde von Nava
erinnern sich an die Party, die ihr Vater ihr zum 19. Geburtstag in
ihrer Tel Aviver Wohnung ausgerichtet hat. Nava konnte ihre Traurigkeit
darüber, dass ihre Mutter sich zu ihrem Geburtstag auf Tournee im
Ausland befand, nicht verbergen. Sie horchte immer nach dem Telefon in
der Hoffnung auf einen Anruf. Aber der Anruf kam nicht... Das Telefon
aus dieser Richtung schwieg.
Nach ihrer Entlassung aus dem Armeedienst fuhr Nava zu einem Studium
in einem Grafik-Studio nach London. Von dort aus gesellte sie sich des
öfteren zu ihrer Mutter, die zu der Zeit mit der "Karmon"-Truppe durch
die Welt reiste. Zu jener Zeit waren Mutter und Tochter unzertrennlich.
Sie schlenderten gemeinsam durch New York Paris, aßen oft zusammen in
Restaurants und holten viele der bisher unterbliebenen Zwiesprachen
nach.
Obwohl Nava diese Zeit sehr genoss, nutzte sie die direkte Nähe zu
ihrer Mutter nicht aus, um sie zu bitten, ihr mit Hilfe ihrer Kontakte
zu einer Gesangprüfung zu verhelfen. Ein Grund für diesen Verzicht war
wahrscheinlich auch das aus der Nähe miterlebte Leben des
"Show-Business", dem sie offenbar eine "normale" Lebensführung vorzog.
Weil Nava Bosmi aber erkennen musste, dass sie wegen des Ruhmes ihrer
Mutter in Israel kein "normales" Leben führen konnte, beschloss sie,
nach Kanada zu übersiedeln, wo sie heute noch lebt und sich mit
Schreiben, Zeichnen und Grafik-Arbeiten befasst.
Am vergangenen Freitag stand Nava (Damari) Bosmi am aufgebahrten Sarg
ihrer Mutter vor dem "Kameri"-Theater und nahm - auf ihre Weise -
Abschied von ihr: Sie holte tief Luft und begann vor den verstummten
Anwesenden mit ihrer tiefen, klangvollen Stimme das durch Schoschana
Damari berühmt gewordene Lied "Haju Smanim" (das waren Zeiten...) zu
singen. Danach entfernte sie sich - mit Tränen in den Augen - aus der
Menge, zu der sie erst nach einer ganzen Weile wieder zurück kehrte.
Obwohl Freunde und Verwandte Nava Bosmi lange nicht gesehen haben und
sehr neugierig sind zu erfahren, was während ihrer langen Abwesenheit
mit ihr geschenen ist, respektieren sie ihre Bitte um Zurückgezogenheit
und stellen keine Fragen. Doch jetzt, nachdem Nava erstmals das große
Schweigen mit den Klängen ihres Liedes gebrochen hat, hoffen sie alle
darauf, dass diesen ersten Klängen nun bald auch die ersten Worte folgen
werden, mit denen sie ihre bisher noch nie erzählte Geschichte beginnen
wird.