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Israel Nachrichten - die deutschsprachige Tageszeitung aus Tel-Aviv

Zum 65. Jahrestag der Irrfahrt von Prag nach Tel Aviv:
Die Odyssee der "Frosula"

Von Judith Reifen-Ronen

"Die eigentliche Grundlage der illegalen Einwanderung ist die Tatsache, dass sie den innersten Bedürfnissen der jüdischen Existenz entspringt. Die Grunderkenntnis des jüdischen Flüchtlings ist sein unerschütterliches Anrecht, das keinerlei Genehmigung und keinerlei Einwilligung von Seiten eines Außenstehenden bedarf, weder auf politischer noch auf internationaler Ebene. Es ist der einschneidende Beweis dafür, dass die Juden in der Tat beschlossen haben, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen." Auszug aus der Ansprache von Schaul Avigur, Chef des "Mossad" zur Zeit der "Illegalen Einwanderungswelle" (Alija Bet) gehalten im Februar 1949 (11. Adar 5709)

In der Nacht vom 1. zum 2. September des Jahres 1939 erreichten die "Frosula"-Flüchtlinge an Bord der "Tiger Hill" die Küste von Tel Aviv. Am 2. September 2004 65 Jahre später trafen sich etwa dreißig dieser Holocaust-Überlebenden im Tel Aviver "Maxim"-Hotel, das in der Jarkon-Straße der Stelle ihrer damaligen Ankunft in Israel genau gegenüber liegt, um der schwierigen Odyssee zu gedenken, die sie vor dem Holocaust gerettet und in ein neues Leben geführt hat.

Da saßen sie nun beisammen Männer und Frauen, die damals im Jahr 1939 noch Kinder oder Teenager waren und die heute im Staat Israel leben, Angehörige der verschiedensten Berufe von der Fachkraft zum Akademiker. Ein jeder von ihnen erzählt seine persönliche Geschichte, in zurückhaltener Form, und mit ein wenig Humor gewürzt im Versuch, das Drama der Fahrt unter unerträglichen Umständen ein wenig herunterzuspielen. Hier spürt man echten Zionismus, den Stolz der Zugehörigkeit zu einer Heimstätte, einem Staat, sowie die Loyalität und Dankbarkeit für die Existenz Israels.

Die Geschichte der Odyssee der Holocaust-Überlebenden aus der Tschechoslowakei, die noch nie erzählt wurde

Die Geschichte der abenteuerlichen Fahrt der 658 Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei an Bord der "Frosula" ist mit Ausnahme vereinzelter Erwähnungen mit teils falschen Details - bisher unbekannt geblieben. Auch in den Berichten über die "Tiger Hill" ist die Geschichte der "Frosula"-Flüchtlinge nicht genau ermittelt worden. Das bewegende Treffen der Teilnehmer an dieser Reise, die sich seither nicht wieder begegneten, wurde initiiert, organisiert und moderiert von Usi Werner, damals eines der "Frosula"-Kinder und heute Mitglied des Präsidiums der Organisation der Einwanderer aus Zentral-Europa (Irgun Olej Merkas Europa) und des Verbandes der ehemaligen Tschechoslowaken, Hitachut Joze Tschechoslowakia.

Michal Katznelson, Präsidiumsvorsitzende der Organisation, und Natan Steiner, der Vorsitzende der Vereinigung begrüßten die Anwesenden mit bewegten Worten. Jeder der Anwesenden berichtete kurz von seinen Erinnerungen an die lange Fahrt, aber die hier wiedergegebenen Ausführungen beziehen sich größtenteils auf die niedergeschriebenen Memoiren der beiden "Frosula"-Flüchtlinge Bobbi Fischel, damals ein Kind von 11 Jahren, und Tommi Kulka, damals 9 Jahre alt. Ihre Ausführungen verdienen es, als schriftliches Zeugnis dieser unbekannten Episode zu dienen.

Prag - 15. März 1939

Beim Einmarsch der deutschen Armee in Prag am 15. März 1939 suchten die Juden Wege, aus der Tschechoslowakei und Europa heraus zu kommen. Viele von ihnen standen auf dem Wenzelsplatz, als die deutschen Soldaten in Prag einmarschierten und hörten die Schmährufen der tschechischen Menge gegen die Deutschen. Doch schon einen Tag nach der Besetzung hörte man andere Stimmen - "Juden raus!" - an die sich die damaligen Kinder noch sehr gut erinnern können. In Prag operierte in jenen Tagen ein Büro mit dem Namen "Die schwarze Rose", das gegen Bezahlung eine Gruppe zusammenstellte, die mit einem illegalen Transport in das damalige Palästina auswandern sollte. Nach der Schilderung der Teilnehmer an dem Treffen im "Maxim" bezahlten diese jungen Leute den Deutschen Bestechungsgelder, um die Gruppe über die Grenze zu bringen. "Ohne diese Leute, die das organisierten und die Zahlungen durchführten, wären wir heute nicht hier", bekräftigten sie.

Wer in der Lage war, zu bezahlen oder mit Hilfe von Verwandten das Geld zu beschaffen, konnte sich der Gruppe anschließen. Sie bestand größtenteils aus tschechischen Juden, von denen die meisten zur Intelligenz gehörten und aus dem Mittelstand oder gehobenen Mittelstand stammten. Es gab alle Altersgruppe von wenige Monate alten Babies bis zu Senioren von über 80.

Die Rettungsfahrt, die 4 Monate und 2 Tage dauerte

Am Abend des 30. April begab sich der Transport mit 658 Personen in einem Sonderzug, der unter Aufsicht und in Begleitung von SS-Leuten vom Prager Hauptbahnhof abfuhr, direkt zum Donau-Kai in Wien. Dort wurden die Flüchtlinge auf zwei Flußdampfer verladen - die "Zar Doschan" und die "Kralitza Maria" - die den rumänischen Hafen Sulina ansteuerten. Die Flüchtlinge durften Lebensmittel und Ausrüstung laut einer von den Deutschen und den Transport-Organisatoren aufgestellten Liste mitnehmen.

Nach 6 Tagen trafen die Flüchtlinge in Sulina ein, wo schon das Frachtschiff "Frosula" auf sie wartete, das für die Fahrt nach Palästina gechartert worden war. Im Schiffsbauch waren ähnlich wie in einem Hühnerstall vier Holzverschlag-Etagen als Schlafgelegenheiten mit Trennwänden und Schlafplätzen von je einem halben Meter Breite pro Person errichtet worden. Den Flüchtlingen wurde erklärt, dass die Reisebedingungen zwar unbequem seien, der Transport aber nur sieben Tage dauern werde. Und die "Frosula" erreichte in der Tat schon nach sechs Tagen die Küste von Haifa.

Von da an begannen die Irrfahrten der "Frosula", die von den Briten wieder auf hohe See verjagt wurde - wie es in der Bibel steht: "..denn nur von Ferne wirst du das Land schauen, aber nicht dorthin kommen". (Deut 32:52). Drei Monate lang pendelte der Frachter zwischen den Häfen der Nachbarländer - Tripoli und andere - hin und her, die sich allesamt weigerten, ihm die Einfahrt in den Hafen zu gestatten. Die ganze Zeit verfolgten die Briten, aus Flugzeugen und Schiffen beobachtend, genau diese Odyssee.

Nach langem Bitten gestatteten die Türken schließlich den Einkauf von Lebensmitteln in der Stadt Mersin unter der Bedingung, dass die "Frosula" dann sofort wieder in See stechen und Kurs nach Libanon nehmen wird. Die Lage der Flüchtlinge verschlechterte sich, die Versorgung mit Lebensmitteln wurde immer knapper, viele Grundnahrungsmittel waren aufgebraucht, und Wasser musste in Rationen zugeteilt werden. Waschen und die Sorge für die minimalsten hygienischen Bedürfnisse in den besonders heißen Monaten der Mittelmeerregion kam nicht in Frage.

Vom Hunger ganz abgesehen brachen auch noch verschiedene Krankheiten aus, wie Dysenterie und "Papadatschi", deren Symptome bis zu 41 Grad hohes Fieber und totale Erschöpfung sind. Die Erwachsenen litten mehr unter den harten Lebensbedingungen als die Kinder, denen ein Matrose namens Vassili ein wenig nahrhafteres Essen beschaffte. In das Gedächtnis der Kinder hat sich dieser Vassili als ein besonderer Mensch eingeprägt, der Kinder liebt, sie umsorgt und für sie Lebensmittel stibitzt. Sie nannten ihn damals "Engel", und nennen so nennen sie ihn auch noch heute.

Im Quarantänelager in Beirut

Nach drei Hungermonaten auf hoher See, während derer viele der Flüchtlinge infolge der schlechten hygienischen Zustände an Bord unter Krankheiten und Schwäche litten, erhielt die "Frosula" von den französischen Behörden in Beirut die Genehmigung zur Ausschiffung im Hafen von Beirut. Dort wurden die Flüchtlinge in ein Quarantänelager überfuhrt, das sich hoch über der Stadt auf einem Berg in einem Lager für Mekka-Pilger befand. In diesem Lager wurden die Flüchtlinge fünf Wochen lang festgehalten. Die jüdische Gemeinde in Beirut nahm sich ihrer an, versorgte sie mit Lebensmitteln und Medikamenten, Zuspruch und Zuwendung, was den Flüchtlingen zur Erholung und Genesung verhalf. "Eine Dusche und warmes Essen" waren für sie, wie sie sagen, die wichtigsten Dinge.

Zwar befanden sich die Flüchtlinge während dieser "Quarantänezeit" hinter Stacheldraht, aber die senegalesischen Wächter und die französischen Offiziere verhielten sich ihnen gegenüber anständig. Die Teilnehmer an dem Treffen im "Maxim"-Hotel erinnerten sich in diesem Zusammenhang an ein Konzert im Lager im Beisein des französischen Gouverneurs in Beirut, unter Stabführung von Georg Singer, der auch Akkordeon spielte und dessen Frau Arien sang.

Nach fünf Wochen erhielten sie den Befehl, den Libanon zu verlassen. Der Frachter musste gereinigt und wegen der vielen an Bord befindlichen Ratten desinfiziert werden, um einen erneuten Ausbruch von weiteren Krankheiten und Epidemien zu verhindern. Demzufolge lagen dort tote Ratten herum, und ein scharfer Lysolgeruch hing in der Luft. In dieser Phase weigerten sich der griechische Kapitän der "Frosula" und die Mannschaft, von Beirut in das damalige Palästina weiterzufahren, obwohl das Geld für die Überfahrt voll bezahlt worden war.

Bei stürmischer See wechseln die Flüchtlinge von der Frosula" an Bord der "Tiger Hill" über

Zu eben dieser Zeit war die "Tiger Hill", die vom "Mossad" zum Zweck des Transports von Flüchtlingen aus Europa gechartert wurde, unterwegs nach Tel Aviv. Sie erhielt Anweisung, sofort Beirut anzusteuern und die Flüchtlinge der "Frosula" an Bord zu nehmen. Katriel Jaffe übernahm das Kommando über die "Tiger Hill", nachdem sich der ausländische Kapitän des Schiffes geweigert hatte, die "Frosula"-Flüchtlinge an Bord zu lassen.

Die beiden Schiffe, die "Frosula" und die "Tiger Hill", trafen sich in tiefer Nacht, und die Umschiffung erfolgte wie bei einer regelrechten Militäraktion auf hoher See: "Mitten in stürmischer Nacht, bei hohem Seegang, wechselten wir in Ruderbooten mit Hilfe von Seilen und Strickleitern von der "Frosula" zur "Tiger Hill" hinüber..."

Die komplizierte Umschiffe gelang, und die 658 "Frosula"-Flüchtlinge gesellten sich zu den 760-Flüchtlingen der "Tiger Hill" (über 100 Flüchtlinge wurden zuvor an der Küste des damaligen Palästinas abgesetzt). Die "Tiger Hill" näherte also mit etwa 1.400 illegalen Einwanderern nach Anweisungen der "Hagana"-Beauftragten einer menschenleeren Küste im Süden des Landes - der Küste der heutigen Stadt Aschdod.

Kurz vor Mitternacht erleuchteten plötzlich die Scheinwerfer eines britischen Küstenwachbootes das Gelände. Die Briten, die das Schiff erspäht hatten, forderten die Besatzung auf, sich zu ergeben. Der Schiffskommandant Katriel Jaffe manövrierte gewandt und konnte entkommen. Die Küstenwache eröffnete das Feuer und zwei der "Frosula"-Flüchtlinge starben auf der Stelle: Dr. Robert Schneider aus der Tschechoslowakei und Zwi Bider, ein Mitglied der "He-Chalutz"-Bewegung aus Polen. 14 Personen wurden verletzt, und Jona Schimschilewitz (23) erlag später ihren Verletzungen. Diese Ereignisse versetzten die illegalen Einwanderer und besonders die "Frosula"-Flüchtlinge in Verzweiflung.

An der Tel Aviver Küste an Land

Wenige Monate nach Veröffentlichung des Weißbuches im Mai 1939 beschloss der "Mossad", mit einem Kraftakt die Macht der illegalen Einwanderung zu demonstrieren. Laut Befehl näherte sich die "Tiger Hill" in großer Geschwindigkeit der Tel Aviver Küste und lief gegenüber der Gordon-Straße auf eine Klippe auf. Die Einwohner Tel Avivs strömten zum Strand und nahmen im Nu 400 der Flüchtlinge unter ihre Fittiche. Die "Frosula"-Flüchtlinge warteten an Bord des Schiffes und wurden gegen Morgen von den Briten (gemeinsam mit noch etwa 350 weiteren Flüchtlingen) ins Übergangslager Zrifin (Sarafand) gebracht Eine jüdische Wache geleitete sie durch die Ben Jehuda-, Allenby und Alija-Straße über Givat Herzl und Abu Kabir nach Zrifin. Auf der gesamten Wegstrecke jubelten ihnen die Einwohner zu. Die Strafe für das illegale Betreten des Landes war eine zehntägige Haft in den Zelten von Zrifin.

Die "Tiger Hill" war eines der letzten Transportschiffe mit illegalen Einwanderern, die das damalige Palästina vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs noch anlaufen konnte - mit den 658 "Frosula"-Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei an Bord. Damit war die Odyssee mit ihren Torturen, die eigentlich 6 Tage dauern sollte, aber in Wirklichkeit vier Monate und zwei Tage in Anspruch nahm, zu ihrem glücklichen Abschluss gekommen.

IN / 29-10-04 hagalil.com / 31-10-04


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