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Israel Nachrichten - die deutschsprachige Tageszeitung aus Tel-Aviv

Spurensuche:
Die verstummten Juden im Iran

Was macht eine israelische Journalistin in Teheran? Diese Frage beantwortete dieser Tage die Mitarbeiterin von "Jedioth Achronoth" Orli Asulai

"Was wollen Sie?", fragte sie barsch und misstrauisch ein betagter Teheraner Jude, als sie am Freitag Abend die prächtige Synagoge in der 15. Straße der iranischen Hauptstadt betrat. Als sie ihm erklärte, dass sie Jüdin sei und darum bat, am Freitag-Abend-Gottesdienst teilnehmen zu dürfen, sagte er nach einer erstaunten Pause: "Schon seit dreißig Jahren kommt kein Jude mehr von außerhalb des Iran zu uns..."

Am ersten Tag nach ihrer Ankunft in Teheran bat Asulai einen Taxifahrer, sie zur Synagoge zu fahren. Die genaue Anschrift war ihr nicht bekannt, nur das Wohnviertel, in dem sie sich befindet. Nach einigen Taxi-Runden und einigem Umherirren gelangten sie zu einem zweistöckigen Gebäude in der 15. Straße im Norden Teherans. An der Front des Gebäudes prangt in blauen Buchstaben eine hebräische Inschrift. Das Tor war verriegelt. Auf das Klingeln an der Eingangspforte reagierte niemand.

Der Taxifahrer bot der Fremden angesichts ihrer Enttäuschung einen Besuch auf einem jüdischen Friedhof an. Er fahre sie gerne dort hin. Die Großmutter des israelischen Staatspräsidenten sei dort begraben. Auf die Frage, wer der israelische Staatspräsident denn sei, kam prompt die Antwort: "Mosche Dajan". Orli hatte es nicht eilig, den Mann über seinen Irrtum aufzuklären. Auf einer Straße im Herzen von Irans Hauptstadt wollte sie ihre Vertrautheit mit israelischen Themen lieber nicht an die große Glocke hängen.

50 Kilometer nördlich von Teheran auf dem Weg zum Kaspischen Meer liegt auf rötlichen Hügeln von bezaubernder Schönheit ein kleines Dorf namens Damaband. Der Pfad zum Gipfel des Hügels, auf dem die Gräber liegen, ist mit riesigen Betonblöcken versperrt. Also schlug der junge Taxifahrer vor, das Auto an der Hauptstraße abzustellen und zu Fuß den Hügel hinauf zu klettern. Kinder, die dort Fußball spielten, zeigten den Besuchern einen Umweg zum Ziel: ein mit Felsblöcken und stacheligen Disteln übersäter Pfad.

Der Friedhof ist nicht eingezäunt. Er hat weder eine Einganspforte noch eine Bewachung. Die Israelin suchte unter den Gräbern nach einem Stein mit dem Namen Katzav. (Staatspräsident Moshe Katzav stammt aus dem Iran.) Einige der Gräber sind hunderte Jahre, andere erst 14 oder 15 Jahre alt. Ein Teil der Grabsteine ist erstaunlich gut erhalten, auf ihnen sieht man Inschriften in Hebräisch und Persisch. Andere Gräber sind vollkommen zerstört.

Im Dorf selbst gibt es fast keine Juden mehr. Die Alten sind auf dem Hügel begraben, die Jungen ins Zentrum von Teheran gezogen. Die Dorfbewohner erklären, dass die Zufahrt zum Friedhof blockiert wurde, um Räuber von der Mitnahme der gut verkäuflichen Grabsteine abzuhalten. Die Behörden hätten zwar vor langer Zeit beschlossen, die Zufahrt zu öffnen und das Gräberfeld einzuzäunen, um die Gräber zu schützen, und die Pläne für die Arbeiten lägen schon seit einigen Jahren in der Schublade bereit; es fehle aber an Mitteln, um das Projekt zu finanzieren.

Wein für den Kiddusch-Segensspruch mit Sondergenehmigung

Nach Einschätzung von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde leben heute etwa 30.000 Juden im Iran, die meisten von ihnen in den großen Städten Teheran, Isfahan und Schiras. Nach Einschätzung iranischer Quellen leben an die 100.000 Juden im Iran. Genauere Daten gibt es nicht. Trotz des absoluten Verbots des Alkoholgenusses im Iran darf die jüdische Gemeinde Wein in Flaschen für den Kiddusch-Segensspruch importieren. Im Zentrum Teherans befindet sich eine jüdiche Schule, in der auch Hebräisch gelehrt wird.

Am Freitag Abend beschloss die Journalistin, sich noch einmal zur Synagoge zu begeben. Das Äußere des Gebäudes macht einen vernachlässigten Eindruck. Im Innern gibt es einen prunkvollen Betsaal. Über dem Thoraschrein hängen Kristalleuchter, die ein weiches Licht ausstrahlen. Auf der Empore stehen mit blauer Keramik verzierte Silbergefäße, die mit weißen Blumen gefüllt sind.

Ein betagter Einheimischer, der in einer Ecke des Betsaales saß, fragte die Besucherin barsch und misstrauisch nach ihrem Begehr. Er war der Einzige, der Englisch sprach. Sie erklärte ihm, dass sie Jüdin sei und den Iran besuche und bat um Erlaubnis, am Freitagabend-Gottesdienst teilnehmen zu dürfen. Er schien seinen Ohren nicht zu trauen. Aber dann erklärte er ihn sein Staunen: "Schon seit dreißig Jahre kommt kein Jude mehr von außerhalb des Iran zu uns..."

Dieser Mann erzählte, dass er Familie in einem Kibbutz in Israel, aber auch Angehörige in Amerika hat. Einmal hat er seine Familie in Israel besucht und dort sogar am Hebräisch-Unterricht in einem Ulpan teilgenommen. Aber vor einigen Jahren haben die iranischen Behörden die Pässe der Juden eingezogen, und es sei sehr schwer, sie zurück zu erhalten, um aus dem Iran auszureisen.

Heiratsvermittlung per Internet

An dem Tag, an dem Orli Asulai die Synagoge besuchte, fanden im Iran die Wahlen statt. Der Mann, mit dem sie sprach, erklärte, dass er nicht wählen gegangen sei. Er glaube auch nicht, dass seine Freunde zur Wahl gegangen sind. Auf die Frage, ob jemand von den Wahl-Kandidaten versucht habe, sich mit der jüdischen Gemeinde in Verbindung zu setzen, um Stimmen zu werben, schwieg er erst eine Weile, bevor er antwortete: "Das ist sehr problematisch. Ich möchte darüber nicht sprechen. Politik und Regierung - das bringt immer nurProbleme."

Die jüdische Gemeinde hat, wie auch alle anderen Minderheiten im Iran, einen Vertreter im iranischen Parlament. "Madsch'li", d.h. der gegenwärtige Vertreter, ist Morris Mutamand, der das bisherige Regime unterstützte - soweit den Juden der betreffenden Synagoge bekannt ist.

Nach 7 Uhr abends begann sich der Betsaal der Synagoge zu füllen. Frauen in eleganter Kleidung strömten in die Frauen-Empore auf der ersten Etage. In dem der Frauen-Empore gegenüber liegenden Betsaal saßen die Männer - links die älteren, rechts die jüngeren. Das hat seinen Grund: die jungen Frauen, die noch unverheiratet sind, sitzen in der zweiten Etage oberhalb der für die verheirateten Frauen bestimmten Empore. Von dort aus können die jungen Frauen mit den jungen Männern Blicke tauschen und sich nach einer geeigneten "Partie" umsehen.

Die Juden veranstalten alle Festlichkeiten in der Synagoge: Hochzeiten, Gedenkzeremonien, und hier finden auch die jungen Paare zueinander. Die jüdischen Jugendlichen haben es nicht leicht, unter die Haube zu kommen. Die Gemeinde ist so klein, dass dies wirklich ein Problem ist. In dieser Beziehung ist das Internet sehr hilfreich, und viele Gemeindemitglieder suchen in der Tat im interner nach einem geeigneten Ehepartner, erklärte der Besucherin eine sehr hübsche Frau, deren Haar mit einem goldenen Kopftuch bedeckt war.

Anfangs war auch sie sehr misstrauisch. Sie fragte die Besucherin zögernd, ob sie Hebräisch könne. Auf ihr "ja, selbstverständlich" legte sie ihr ein blau gebundenes Gebetsbuch in die Hand und bat sie, die erste Seite mit dem Mincha-Abendgebet vorzulesen. Orli las also laut aus dem Gebetsbuch vor, und als die Seite beendet war, fragte sie lächelnd, ob sie die Prüfung bestanden habe.

Die Frau nickt strahlend und den den Gast ein, sie nach der Andacht in ihre Wohnung zu begleiten und dort mit ihrer Familie am Freitag-Abendmahl teilzunehmen. Dazu erklärte sie ihr, dass das Abendmahl mit einem Kiddusch (Wein-Segensspruch) beginnt, bei dem von der Familie selbst hergestellter Wein benutzt wird. Anschließend würden Leckerbissen gereicht, die sie und ihre Schwester zubereitet haben.

Mittlerweile hatten sich in der Synagoge an die 300 Andächtige versammelt. Sie alle hielten ihr Gebetbuch in der Hand und murmelten, in sich gekehrt, leise die hebräischen Gebete vor sich hin. Außerhalb der Synagoge oder jüdischen Schulen ist das Hebräische im Iran landesweit eine verbotene Sprache.

Vor dem Verlassen der Synagoge zeigte die Journalistin dem betagten Mann, der sie bei ihrem Eintreffen angesprochen hatte, Fotografien, die sie auf dem Friedhof in Damaband aufgenommen hatte. Auf ihre Frage, ob er diesen Ort kenne, sagte er, er sei noch nie dort gewesen. Aber für alte Teheraner Juden sei dieser Ort die letztn. Von hier kämen "alle nach Damaband". Es sei sein Traum, vorher noch wenigstens einmal Israel zu besuchen und seine Familienangehörigen im Kibbutz wiederzusehen.

IN / 01-07-05
hagalil.com / 03-07-05


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