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Israel Nachrichten - die deutschsprachige Tageszeitung aus Tel-Aviv

Der Schiputznik:
Zwischen Landplage und Lebensrettung

Von Alice Schwarz

Schiputznik ist ein typisch israelisches Wort, so "wie Nudnik oder Kibbutznik. Es bestimmt eine Lebenshaltung im ersten Fall und eine Lebenslage plus Beruf im Zweiten: der Nudnik ist ein Mensch, der einen nudenet oder anödet, und der Kibbutznik ist der Bewohner eines Kibbutz, der legendären, angeblich langsam aussterbenden israelischen Kollektivsiedlung. Das Prinzip der Wortbildung ist klar: Die erste Hälfte des Wortes beschreibt den Begriff, das "nik" ist die Zugehörigkeitsbestimmung.

Was ist also ein Schiputznik? Ein Mensch, der Schiputzim macht, also Hausrenovierungen und kleine Umbauten. Er ist beruflich angesiedelt irgendwo zwischen Handwerker und Innenarchitekt. Es klingt nach Putz und ist ein bisschen damit verwandt, denn der Schi-Putznik macht gewissermaßen Hausputz. Er putzt das Haus heraus. Er bringt verwahrloste Wohnungen wieder auf Vordermann, für Leute, deren mittlere Wohnfläche samt ebensolchem Einkommen keinen Innenarchitekten empfehlen. Der Schiputznik, unterstützt meist von Fachkräften, renoviert, mauert, meißelt, streicht, installiert und verändert unseren Lebensraum.

Der Schiputznik war ursprünglich ein Handwerker, im heutigen Israel ist er Kleinunternehmer. Er legt selber mit Hand an, bringt aber auch Fachleute mit, mit deren Hilfe er Ihre Wohnung gründlich zerlegt. Er stellt sie auf den Kopf und nach dem üblichen israelischen Totalchaos auch wieder auf die Füße. Für all das wird er bezahlt, und zwar nicht zu knapp. Handwerk hat einen goldenen Boden, Schiputzerei einen platinenen.

Ich hatte das letzte Mal beim Einziehen in meine Tel Aviver Wohnung mit einem Schiputznik zu tun, das ist schon sehr lange her. Der damalige Schiputznik war auch der Mann, der die Übersiedlung von Chedera vollzog, so elastisch waren damals noch die Berufsgrenzen. Er brachte die schon erwähnten Fachleute und gemeinsam gingen sie ihrem Handwerk nach und mir auf die Nerven. Das Resultat war sehr zufriedenstellend und das Erlebnis traumatisch. Damals ließ ich ziemlich gründlich renovieren, seither habe ich die Dinge so vor mir her und auch manchmal und vor allem, hingeschoben. Sagen wir gleich die Wahrheit: Hinausgeschoben. Auf die ganz lange Bank. Vertagt Improvisiert. Nur das Dringendste machen lassen. Nach dem Prinzip: Stört mir meine Kreise nicht. Da musste etwas schon sehr schief gehen oder hängen, damit mir ein Schiputznik ins Haus kommt. Alle meine Freundinnen hatten es schon hinter sich, einige sogar mehrmals, nur ich nicht. Da ich berufstätig und nur in Lokalen, nicht zuhause zuweilen Gastgeberin bin, ging es auch so. Wahrscheinlich wäre es weiter so gegangen ohne meinen Einbrecher. Doch da erschien er. Die lieben Leser erinnern sich gewiss an meinen Einbrecher. Ich auch.

Der Einbrecher ließ mir keine andere Wahl. Er hat bekanntlich mein Schlafzimmer demoliert, indem er unter den Bodenfliesen nach Schätzen grub, und da ich nicht im Sand waten konnte oder wollte, der unter den herausgerissenen Fliesen herausgequollen war, auch nicht den Teppich auf die Dauer schamvoll über die Löcher im Boden breiten konnte, ganz abgesehen vom Stolpern, noch auch mein Bett bereit war, auf die Dauer auf drei Beinen gerade und mit dem vierten wackelig auf einem Untersatz von mehreren Fliesen dazustehen, brauchte ich Hilfe. Dringend. Es gab, wie es in Israel so schön heißt, ejn Brera. Keine Alternative. Alle großen Unternehmungen und historischen Ereignisse in Israel beginnen mit dieser schicksalsschweren Formel.

So auch mein Schiputz.

Den Schiputznik zu finden war nicht einfach. Die von mir befragte Versicherungsgesellschaft riet mir, selber einen zu suchen. Die Seniorenhilfe empfahl mir, im Telefonbuch auf den Gelben Seiten nachzuschauen. Aber Fliesenleger sind auf den Gelben Seiten nur im Großmaßstab aufgelistet. Ja, wenn ich ein Hotel auszukacheln hätte! Oder doch wenigstens einen Tanzsaal! Oder vielleicht eine Villa! Ich habe leider, oder Gott sei Dank, kein Hotel auszukacheln. Auch keinen Tanzsaal.

Doch der Mensch denkt und Gott lenkte und schickt einem die Lösung. Schiputzniks findet man durch Herumfragen im Bekanntenkreis. Eine Freundin hatte gerade renoviert und war des Lobes für ihren Schiputznik voll. Und dieser, oh Wunder, war auch zum Fliesenlegen bereit.

Wir trafen uns in meiner demolierten Wohnung, nicht ohne die übliche Verspätung von anderthalb Stunden. Nachdem bereits die Polizei, die Versicherung und die Nachbarschaft das Loch im Schlafzimmer bewundert hatten, tat es ihnen der Schiputznik gleich. Wir begannen die neuen Fliesen zu besprechen. Er machte mich aber darauf aufmerksam, dass die neuen Fliesen im Schlafzimmer sich unangenehm von den alten im Korridor und Salon abheben würden.

Nun gehen Gäste, auch seltene, gewöhnlich nicht ins Schlafzimmer. Aber ich gehe hin und vergleiche. Ich musste dem Schiputznik Recht gebe. Taktvoll, aber eindringlich machte er mich daraufhin auf den Zustand der Fenster- und Türrahmen aufmerksam. Ich weiß, das hätte ich schon längst streichen lassen müssen. Na und die Wände? Ja und dann müsste man eigentlich ein Gitter auf dem Balkon anbringen. Von dort ist der fleißige, aber dumme Einbrecher eingestiegen. Ich habe zwar eine Stahlsicherheitstür am Wohnungseingang, aber über die hat der Einbrecher sicher bloß gelacht. Sie blieb unberührt und geschlossen; er kam von hinten über den Küchenbalkon herein.

Na ja, und im Badezimmer ist ein neuer Wärmestrahler anzubringen. Und das Kabel für den Fernseher liegt auf dem Boden, das muss an der Wand verlegt werden. Sonst noch etwas? Keine Bange. Sicher fällt dem Schiputznik noch etwas Dringendes ein.

Der erste Tag begann harmlos, ich wartete nur eine Stunde, bis die Handwerker fröhlich ankamen. Sie begannen sofort mit dem Erdbeben von Messina. Nach kurzer Zeit flüchtete ich zur Arbeit.

Am Abend war das Schlafzimmer sogar fertig und ich konnte in meinem eigenen Bett mit 4 geraden Beinen schlafen, durfte aber weder die Küche noch den Balkon betreten. Im übrigen Raum waren, die Möbel vom Salon aufgestapelt, und es gibt derer eine Menge. Ich fühlte mich beengt wie ein Kanarienvogel im Käfig, nur weniger gesangsfroh und auch ohne Trank oder Futter. Am nächsten Morgen wartete ich zwei Stunden auf die Handwerker. Ich rief schließlich besorgt das Handy des Schiputznik an. Da sei etwas mit seinem Auto. Auf die Idee, mich anzurufen, war er leider nicht gekommen. Darauf bin ich kurzerhand ausgezogen, ins Hotel. Ohnehin, so hieß es, würde ich wegen des Trocknens der Fliesen den Korridor am Abend nicht betreten dürfen.

Das Hotel ist gleich um die Ecke und wirklich sehr preiswert. Auch bequem. Mach Ferien vom Alltag, wie es so schön, heißt. Ich bin verreist in die nächste Straße. Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah.

Insgeheim setzt sich bei mir die Überzeugung durch, dass mein Einbrecher von der Regierung geschickt worden ist. So blöd wie der sich anstellte, könnte kein auf eigene Erfahrung zurückblickender und einigen Berufsstolz hegender Ganove sein. Nicht nur hat er nichts Wertvolles gefunden, nicht nur hat er schwer gearbeitet, um meine Privatsphäre zu stören, hat alle Schubfächer und viele Schränke ausgeleert, alte Koffer vom Abstellraum heruntergeholt, besagte Fliesen zerbrochen und alle alten, kaputten Uhren aus meinem Schreibtisch mitgenommen, die ich aus unerfindlichen Gründen nicht weggeworfen hatte - er hinterließ mir auch die einzige noch gehende Uhr unter besagtem unterwühlten Bett, wohin sie kurz vor seiner segensreichen Tätigkeit gefallen sein muss. Sie wurde vom Schiputznik gefunden. Angesichts eines solchen Dilletantismus ist anzunehmen, dass der Einbrecher nicht spontan kam, sondern vom Finanzministerium beauftragt war, um die Wirtschaft etwas anzukurbeln.

Wie dem auch sei, nach einem Einbruch tut der Mensch in der Tat einiges für die stagnierende Wirtschaft. Das Komplott ist vollkommen gelungen. Arbeit bekamen der Schiputznik, seine Mithelfer, die Zubehörläden, einige sonstige Geschäfte und last but not least das nette Hotel, das gut belegt ist. Offenbar gibt es viele Einbrüche.

Der Schiputznik hat aber letztlich gut gearbeitet das muss man ihm lassen. Er und seine Helfer haben alles weggeräumt und wieder zurückgestellt. Sie haben sogar die Bilder wieder aufgehängt, und die Möbel mehr oder weniger auf den richtigen Platz geschoben. Mein vorheriger Schiputznik vor einem Jahrzehnt war ein Ex-Russe. Der Jetzige ist abstammungsgemäß ein Jemenite, aber bis auf seine Unpünktlichkeit sehr akurat. Bei der Arbeit ein Jekke, bei der Anreise ein Mega-Orientale. Seine Großeltern, erzählte er, hätten bei ihrer Einwanderung Gold mitgebracht, das sie angesichts ihrer Naivität schnell loswurden. Ich tröstete ihn, dass das auch anderen Landsmannschaften passiert ist. Als Schiputznik braucht er übrigens kein geerbtes Gold; er sitz an einer Goldgrube.

Aus dieser hat er bei mir einiges dazu heraufgeholt. Aber es ist schwer und ehrlich verdient, und da gesteht man ihm zu, dass er berufsmäßig eben nicht nur eine Landplage, sonder auch eine Lebensrettung war. Also: wenn man Ihnen die Fliesen aufreißt, verrate ich Ihnen die Adresse...

IN / 29-10-04 hagalil.com / 31-10-04


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