Die Unabhängigkeitserklärung des
Staates Israel, die Camp-David-Abkommen und die Osloer Verträge sowie
die Pistole, mit der Jitzhak Rabin erschossen wurde - dies sind nur
einige der historischen Exponate, die bei einem kürzlichen Brand im
Staatsarchiv in Jerusalem beinahe vernichtet worden wären.
Jerusalem - Das Original der Unabhängigkeitserklärung des
Staates Israel - eine der wichtigsten historischen Urkunden des Staates
- ist dieser Tage vor der totalen Vernichtung durch einen Brand im
Staatsarchiv gerettet worden. bei diesem Feuer wären beinahe sämtliche
historischen Dokumente des Staates Israel verbrannt.
Der Brand ereignete sich "Maariv" zufolge vor etwa einem
Monat im ersten Stock des Staatsarchivs im Jerusalemer Wohnviertel
Talpiot. Der Fahrer eines Abschleppwagens, der zufällig vorbeifuhr,
alamierte die Feuerwehr.
Anderthalb Stunden lang bekämpften die Feuerwehrleute die
Flammen in der untersten Etage, ohne zu wissen, dass sich in den
Stockwerken darüber ein Safe befindet, in dem wichtige Dokumente aus dem
Staatsschatz und dem Staatsarchiv aufbewahrt werden. Mitten in der
Arbeit gab ihnen die vor Ort schlafende Sicherheitswächterin, die von
den Sirenen der Feuerdetektoren aufgeweckt wurde, die Nachricht durch,
von welch großer Bedeutung der Inhalt dieser Räume ist.
"Ich finde es seltsam, dass an einem solchen Ort
Sicherheits- und Notalarm nicht funktioniert haben. Ich verstehe nicht,
wie es dazu kommen konnte, dass wir in diesem Gebäude so lange
arbeiteten, ohne zu wissen, was hier aufbewahrt wird", sagte einer der
Feuerwehrleute nachher. "Wir hätten die erste Warnung von einem der
Verantwortlichen vor Ort erhalten müssen. Die Personen, die in diesem
Gebäude ständig arbeiten und für dessen Wartung zuständig sind, hätten
uns direkt in Kenntnis setzen müssen."
Trotz des verspäteten Hinweises gelang es der Feuerwehr,
der Flammen Herr zu werden, bevor sie sich bis in die Stockwerke
ausbreiten konnten, in denen das Staatsarchiv aufbewahrt wird. Hätte der
Brand sich auch hier ausgebreitet, hätte das Staatsarchiv mitsamt seinen
Schätzen ein Raub der Flammen werden können. Zu den hier hinterlegten
unersetzlichen Schriftstücken gehören Adolf Eichmanns Tagebücher,
Dokumente aus der ottomanischen Zeit, Aufzeichnungen über geheime
Kontakte mit arabischen Staaten und Protokolle von Regierungssitzungen,
bei denen wichtige Beschlüsse über den Aufbruch in den Krieg und/oder
militärische Aktionen gefasst wurden.
"Wenn diese Urkunden verbrannt wären, hätte das ein großes
Unglück für Israel bedeutet. Bei vielen von ihnen handelt es sich um
hochwichtiges Material, das nicht rekonstruierbar ist", erklärte der
Staatsarchivar Jehoschua Freundlich.
Die Ermittlungen haben inzwischen ergeben, dass es sich bei
den Brandstiftern um Kriminelle handelt, die sich gegenseitig wegen der
Herrschaft über den Markt der Süßwarenautomaten bekämpfen. Sie wollten
einen Lagerraum eines Ladens in Brand stecken und wählten ausgerechnet
einen, der sich im Gebäude des Archivs befindet.
Die Tatsache, dass es den Brandstiftern mit einer solchen
Leichtigkeit gelang, in das Gebäude einzudringen und dort Feuer zu
legen, ohne dass eine Menschenseele dies bemerkte, wirft viele ernste
Fragen über die Gewissenhaftigkeit der Wartungsarbeiten und der
Sicherheitsvorkehrungen des Gebäudes auf. Dies umso mehr, als das dort
befindliche Staatsarchiv derart wichtige und zum Teil geheime Dokumente
aufbewahrt und das Amt des Ministerpräsidenten es rund um die Uhr
bewachen lässt.
"Es ist untragbar, dass sich eine Diebesbande mitten in der
Nacht in das Haus des Staatsarchivs einschleichen, dort im ersten Stock
in ein Geschäft einbrechen und es in Brand stecken kann, ohne dass ein
einziger Mensch das bemerkt. Es ist empörend, dass eine sicherheitsmäßig
und historisch derart heikle Institution so geführt wird", meinte Sohar
Chaj, der Besitzer des Gebäudes.
Offizielle Reaktion: "Wir sind uns der Not bewusst"
Der Zustand des Staatsarchivs ist schon seit langem sehr
sehhr schlecht. "Der Ort ist für seine Aufgabe völlig ungeeignet, der
Raum ist viel zu eng und es fehlt ihm an Würde", sagte diese Woche Tuvia
Periing, der vorherige Staatsarchivar, der vor einem halben Jahr
angesichts der Vernachlässigung und mangelnden Finanzierung seitens der
Kanzlei des Ministerpräsidenten sein Amt niedergelegt hat.
Freundlich, der an seiner Stelle seit zwei Monaten als
Staatsarchivar amtiert, erklärte seinerseits am Dienstag: "Es fehlt uns
an Platz, und daher haben wir die Überführung neuen Materials aus den
Ministerien eingestellt und sie gebeten, es vorläufig noch bei sich
aufzubewahren. Außerdem ist das Staatsarchiv aus Platzmangel auf zwei
Gebäude verteilt, was außerordentlich unbequem ist. Wir sind daran
interessiert, das historische Material der Öffentlichkeit vorzustellen,
haben aber keinen Ausstellungssaal, und auch unser Lesesaal ist zu klein
- er hat gerade knapp Platz für 15 Personen."
Während der letzten Wochen wird das Staatsarchiv-Gebäude
renoviert, um die Lage zu verbessern. Aber es liegt auf der Hand, dass
noch sehr viel mehr geschehen muss, um die Dokumentation der Geschichte
des Staates Israel zu retten. "Zu Archiven dieser Art in aller Welt
kommen Busse mit Schülern, die mit den verborgenen Schätze ihres Staates
bekannt gemacht werden", sagte hierzu ein Mitarbeiter des Jerusalemer
Staatsarchivs. "Nur wir sind in einem derart engen Gebäude inmitten
einer Industriezone zwischen Autogaragen und Kneipen untergebracht",
fügte er hinzu.
Von der Kanzlei des Ministerpräsidenten verlautete hierzu:
"Wir sind uns des Notzustands im Staatsarchiv bewusst, und wir bemühen
uns, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Wir suchen eine
permanente Unterkunft für das historische Staatsarchiv, und in diesen
Tagen werden zu diesem Zweck eine Reihe von Gebäuden besichtigt und geprüft.
Außerdem planen wir die elektronische Datenverarbeitung -
Computerisierung - des Staatsarchivs."